Margot Lafrenz-Harbeck liebt ihre Kunden und hält für jeden ihrer Gäste ein fröhliches “Hallo” bereit. Nach ersten Berufsjahren im Obst- und Gemüsehandel der Eltern, 30 Jahren Hamburger Wochenmarkt-Erfahrung und einem eigenen Ladenlokal mit Mittagstisch, war Margot mit Anfang 70 schnell klar, dass in Rente gehen für sie keine Option ist. Zusammen mit ihrer Tochter eröffnete Margot 2013 „Harbeck’s Henkelmann“, ein kleines Restaurant mit Mittagstisch, in dem der Gast neben leckeren Speisen immer auch einen persönlichen Schnack mit der Chefin angeboten bekommt und sich so gleich wie zuhause fühlt.
Nichts ist schöner als der Kontakt zu den Menschen
Sie stehen mit 77 Jahren noch jeden Tag hinter dem Tresen Ihres Restaurants. Denken Sie niemals an den verdienten Ruhestand?
Ich habe immer gearbeitet. Meine ersten Berufsjahre habe ich im Obst- und Gemüsehandel meiner Eltern geholfen und habe später dann 30 Jahre auf dem Hamburger Wochenmarkt in Lurup, Bramfeld und Langenhorn gestanden. Das Geschäft habe ich mit 57 Jahren abgegeben, aber zuhause bleiben konnte ich nicht! (lacht) So habe ich von 1998-2008 einen Feinkostladen mit Mittagstisch am Mittelweg betrieben. Danach war ich erstmal vier Jahre zuhause, doch habe ich immer überlegt, was ich als Nächstes machen kann. Vor ein paar Jahren hat sich dann die Möglichkeit eines gemeinsamen Mittagstisch-Restaurants mit meiner Tochter ergeben. Meine Tochter kocht und ich mache den Rest. Und so ist mein Alltag wieder bewegt: ich stehe um 4/4.30 Uhr auf, dann frühstücke ich ganz in Ruhe und schaue morgens manchmal schon eine TV-Dokumentation – das gefällt mir und nebenbei schließe ich auch noch meine Wissenslücken. Vor der Arbeit bringen wir den Hund zur Tagesbetreuung und ich setze meinen Mann in seinem Büro in der Altstadt ab (Margots Ehemann ist 87 Jahre alt). Um 8 bin ich dann hier im Laden. Natürlich kommt es vor, dass ich morgens auch mal etwas schwerfällig bin. Dann trinke ich einen Kaffee, schmiere mir eine Stulle und mache etwas persönlichen Kram. Dann funktioniert es wieder und es geht mir gut!
Was reizt Sie, an Ihrem Beruf?
Mich reizt der Kontakt zu den Menschen – es gibt doch nichts Schöneres!
“Mich reizt der Kontakt zu den Menschen – es gibt doch nichts Schöneres!”
Was die jüngere Generation von Margot lernen kann
Sie haben drei Kinder, die sie teilweise allein großgezogen haben. Wie kriegt man Selbstständigkeit und Familie unter einen Hut?
Das ist eine große Herausforderung. Da braucht man schon jemanden, der das Kind mal übernimmt und einspringen kann. Ich war damals ledig und hatte Gott-sei-Dank meine Mutter und meinen Bruder, der als „Fastmoker“ (Festmacher) im Hamburger Hafen in 24-Stunden-Schichten arbeitete und an seinen freien Tagen auf meine Kinder aufpassen konnte. Später hatte ich dann ein Kindermädchen und habe mich mit den anderen Müttern aus der Schule abgesprochen. Ich konnte immer sehr gut organisieren.
Was ist Ihre Empfehlung für ein glückliches Berufs- und Privatleben?
Erstens: Besonders für eine Frau ist es wichtig, dass sie ihren eigenen Beruf hat. Und sich nie von ihrem Mann abhängig machen muss.
Zweitens: Man sollte einen netten Partner haben – ich finde, das ist das Schwierigste!
Drittens: Man muss einen Beruf finden, der einem Spaß macht und zu dem man jeden Tag gerne hingeht.
Was möchten Sie der nächsten Generation sonst mit auf den Weg geben?
Man muss hier und da Maß halten. Das fängt bei den Kindern schon an: warum müssen 15-Jährige z.B. schon Markenklamotten tragen? Und warum sollen Kinder nicht im Haushalt helfen? Dass es uns heute so gut geht, ist ja nicht selbstverständlich. Und dafür muss ich gar nicht so weit gucken, denn selbst in Hamburg gibt es natürlich genügend Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns.
Uns ist nichts in den Schoß gefallen und wir wissen, das was wir uns erarbeitet haben, sehr zu schätzen. Als Ende 1920 bis ungefähr Mitte der 30er Jahre die große Arbeitslosigkeit herrschte, gab es weder Arbeit noch Wohnraum. Meine Eltern sind nach ihrer Heirat 1935 also nach Güstrow gegangen und konnten einer jüdischen Familie den Obst- und Gemüseladen abkaufen, die von dem Geld ausgewandert sind. Meine Eltern hatten sich ganz gut etabliert, doch als 1945 der Russe vor Güstrow stand, wurde es ernst. (nebenbei begrüßt Margot die hereinspazierende Kundin „Hallo, Frau Petzold.“ und kommt dem Wunsch der Kundin nach zwei Scheiben Käse nach) Dank der durch unsere Straße vorbeiziehenden Trecks aus dem Osten wussten wir, was auf uns zukommen würde, so dass mein Vater entsprechende Vorbereitungen getroffen hatte. Bei Nacht und Nebel sind wir nach Hamburg geflüchtet, meine Eltern, mein Bruder, die Oma und ich – eigentlich nur mit dem, was wir am Leib trugen.
“Uns ist nichts in den Schoß gefallen und wir wissen, dass was wir uns erarbeitet haben, sehr zu schätzen.
Bescheidene Wünsche zum Weihnachtsfest
Weihnachten steht vor der Tür – haben Sie eine besondere Kindheitserinnerung an den Heiligabend?
Am Nachmittag des Heiligabends kamen meine Großeltern zu Besuch. Es gab traditionsgemäß Torte und danach sagten wir ein Weihnachtsgedicht auf. Anschließend gab es Geschenke – wenn überhaupt, denn im Krieg gab es natürlich nicht viel. Abends machte meine Mutter dann Kartoffelsalat und Würstchen. Das war damals Gang und Gäbe. Selbst als ich schon ein junges Mädchen war und es uns nach dem Krieg etwas besserging, behielten wir diese Tradition bei. Am späteren Abend spielten wir alle zusammen „66“ oder „Skat“ – damals kam man noch ohne Fernseher aus! (lacht) Meine größte Weihnachtsüberraschung bekam ich mit neun oder zehn: ein Akkordeon (ein kleines Hohner mit acht Bässen) und ein Smokekleid! Ich legte damals sehr viel Wert darauf, hübsche Sachen anzuziehen – auch wenn das Geld dafür eigentlich nicht da war. Ich hatte vor Heilig Abend schon geschnüffelt und siehe da: im „ollen“ und dreckigen Wäschekorb hatte meine Mutter tatsächlich ein rosafarbendes Smokkleid versteckt! Das war für mich! Mit einem Bubbikragen und gesmoktem Revers, der Rock aus Falten – alles Handarbeit!
Was ist Ihr persönlicher Wunsch zu Weihnachten?
Ich wünsche mir, dass mein Mann und ich noch ein paar schöne Jahre zusammen haben. Wenn wir abends ein paar leckere Kleinigkeiten zusammen essen, sage ich immer „Das könnte heute auch das letzte Mal gewesen sein.“ Das weiß man ja nie! Wir genießen die Dinge, besonders die, die nicht alltäglich sind. Und wir machen die Dinge heute, nicht morgen. Mein Mann wollte z.B. so gerne einen Cordanzug haben. Da ist man schnell bei der Frage, wo man einen solchen kriegt und dann ist vielleicht auch die Figur im Alter nicht mehr so günstig. Und so haben wir den Cordanzug kurzerhand für einen Haufen Geld fertigen lassen. Ich habe gesagt, wenn Du einen Cordanzug haben willst, müssen wir das jetzt machen. Wir können nicht noch ein oder zwei Jahre warten. (Margots Ehemann hat sich inzwischen dazugesellt und wirft augenzwinkernd ein: „Wir kaufen auch keine grünen Bananen mehr.“ , woraufhin Margot in schallendes Gelächter fällt.)
“Wir genießen die Dinge, besonders die, die nicht alltäglich sind. Und wir machen die Dinge heute, nicht morgen.”