Feuersturm über Dresden – Luise *1924

Luise war gerade mit dem Studium fertig als sie im Februar 1945 den Feuersturm über Dresden miterlebte. Ihre Erinnerung an diese Nacht und den Zweiten Weltkrieg haben sie geprägt und lassen Sie heute sehr klar urteilen: über den Wert von Frieden, Freiheit und Familie. Als junge Frau im Krieg und im Nachkriegsdeutschland hat Sie gelernt, mit Entbehrungen und Verlust umzugehen. Sie musste früh lernen, zu improvisieren und auch später ihre Pläne den Bedingungen und Möglichkeiten des Sozialismus der DDR anpassen. Im Interview eine Frau, die aus jeder Situation stets das Beste gemacht und selbst in schwierigen Zeiten ihren frohen Mut behalten hat:

 

Feuersturm über Dresden

Sie haben den Feuersturm über Dresden im Februar 1945 als eines der prägendsten Erlebnisse Ihres Lebens geschildert – mögen Sie Ihre Erinnerung an diese Nacht im Zweiten Weltkrieg erzählen?

Ich kann mich noch gut an den Feuersturm erinnern. Ich hatte mich zuvor zum Studium in Dresden im Haus meiner Tante in Blasewitz einquartiert. Das Studium war prima. Kurz vor den mündlichen Prüfungen kam dann der Angriff. Plötzlich gingen die Sirenen. Als meine Cousine aus dem Fenster blickte, sagte sie nur „Guckt mal raus, die ganze Stadt ist voller ‚Christbäume‘.“ Die Flieger flogen genau in die Stadt rein, dort wo die städtische Haus-an-Haus-Bebauung anfing. Die jungen Mädchen wurden damals in Brandbekämpfung geschult und so erkannte meine Cousine gleich, dass wir „was aufs Dach gekriegt“ hatten. Als wir hochgingen, brannte es schon. Ich wohnte im obersten Stockwerk und so versuchten wir zu retten, was wir kriegen konnten. Als wir nicht länger oben bleiben konnten, haben wir unten mitgeholfen. Die Nachbarn kamen und haben uns unterstützt. Das schöne Schlafzimmer meiner Cousine wurde zusammengeräumt und in den Garten gebracht, wir haben alles unter den Regenpilz gestellt. Später saßen wir im Keller und das Haus brannte langsam runter. Von dem Feuer haben wir da unten aber nichts gemerkt. Dann kam aber gleich der nächste Angriff, das waren Sprengbomben. Eine Bombe muss höchstens einen Meter von unserer Hauswand entfernt in den Garten gegangen sein. Das Nachbarhaus wurde getroffen. Die Menschen sind teilweise erschlagen worden. Auch unsere Sachen, die wir rüber geschafft hatten, wurden getroffen. Da hat nicht viel gefehlt und es hätte uns auch erwischt.

 

Als es hell wurde, haben wir den kleinen Sohn meiner Tante in den Wagen gepackt – ich hatte einen Handwagen, mein Fahrrad, einen Koffer und zwei Bücherkisten – und sind über das „Blaue Wunder“ (Loschwitzer Brücke), das Gott sei Dank heil geblieben war, hoch ins Siedlungsgebiet „Weißer Hirsch“ zu einer Freundin der Tante gelaufen.

 

Dort wurden irgendwann wieder Lebensmittelkarten verteilt – wir hatten ja nichts mehr. Bei der Verteilstelle lernte ich eine Frau kennen, die sagte, dass sie nach ihrer Mutter und ihrer Oma gucken müsse. Sie war hochschwanger und wollte nach Hause in die Stadt, um ihre Babykleidung zu holen. Da sie nicht allein gehen wollte, bin ich mitgegangen. Wir haben zuerst ihren Koffer aus der Wohnung geholt und wollten dann nach ihrer Oma im Pflegeheim gucken. Dort sah man aber bloß die verkohlten Leichen liegen. „Hier können wir wohl nichts mehr machen…“ Wir sind wieder nach Hause gegangen.

 

Uns war klar, dass wir aus der Stadt rausmussten. Meine Tante rief ihren Bruder an, der ein Fuhrunternehmen hatte. Er schicke einen Lastwagen vorbei und lud uns ein. Seine Spedition hatte wenig später eine Salzlieferung in Bad Dürrenberg bei Leipzig abzuholen, wo ich mitfahren konnte. Von dort bin ich dann mit der Bahn nach Merseburg und von dort nach Hause.

“Später saßen wir im Keller und das Haus brannte langsam runter.”

Als junger Mensch im gestern und heute

Was hat Ihnen geholfen in solch schwierigen Zeiten wie dem Krieg nicht aufzugeben, sondern weiterzumachen und durchzuhalten?

Die Familie hat mir Zuversicht gegeben. Das einzige Ziel war es, die Familie zu retten.

 

Welche Wünsche oder Träume hatten Sie als junges Mädchen?

Mit 20 war ich gerade mit dem Studium fertig und hatte mit dem Lehrerberuf angefangen. Ich wollte nichts anderes machen, als als landwirtschaftliche Lehrerin zu arbeiten. Das war mein Ziel und das habe ich auch geschafft. Bis der Sozialismus nach und nach alles veränderte und wir beruflich wie privat viele Kompromisse hinnehmen mussten. Von da an ist es immer anderes gekommen, als ich es mir vorgestellt habe. Aber ich musste damit zurechtkommen und so bin ich damit zurechtgekommen.

 

Was schätzen Sie an der heutigen Zeit?

Heute schätze ich die Freiheit. Dass sich jeder Mensch nach seinen Fähigkeiten entwickeln kann – und wenn er das will, er gestützt und gefördert wird – daraus kann man doch sehr, sehr viel machen!

 

Was würden Sie gerne an Ihre Kinder und Enkel weitergeben?

Eine gewisse Bescheidenheit möchte ich der heutigen Jugend mitgeben. Das Alles-Habenwollen ist utopisch. Man muss bodenständig bleiben und man sollte sich nicht zu viel wünschen und vornehmen.

“Heute schätze ich die Freiheit. Dass sich jeder Mensch nach seinen Fähigkeiten entwickeln kann – und wenn er das will, er gestützt und gefördert wird – daraus kann man doch sehr, sehr viel machen!”

 

“Lernt aus der Geschichte!”

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die politische Lage in der Welt verfolgen und beobachten, wie rechte Parteien in den Landtag einziehen, Populisten Präsidenten werden und Extremisten die westliche Welt attackieren?

Manchmal stelle ich die Nachrichten ab. Das ist furchtbar. Einiges erinnert an Hitler – das kann man schon so sagen! Das Volk wurde von ihm auch begeistert. Wenn das Volk damals gewusst hätte, was passieren würde, hätten die Menschen vielleicht nicht mitgemacht. Aber hier treten die Grausamkeiten ja offen zutage… Ich kann nur hoffen, dass uns ein paar vernünftige Leute wie die Angela Merkel und der Steinmeier erhalten bleiben. Die, die jetzt groß den Mund aufreißen, haben den Krieg ja nicht erlebt. Das Volk braucht jemanden, der die Zügel in der Hand hält. Da muss die Merkel aufpassen, dass sie nicht zu ruhig wird und eine starke Hand zeigt. Und der Trump! Um Himmels willen! Ich nehme den gar nicht für voll. Aber das ist ja die Gefahr!

 

Ihr Rat an die heutige Gesellschaft und Politik?

Macht Eure Augen auf, guckt, wie es gewesen ist, lernt aus der Geschichte!

 

Worauf sind Sie stolz?

Auf meine Familie.

“Macht Eure Augen auf, guckt, wie es gewesen ist, lernt aus der Geschichte!”